Eine kleine Leseprobe zum nächsten Fall der INSEL Polizei aus Langeoog von Ostfrieslandkrimi-Autorin Julia Brunjes!
Die INSEL Polizei in Langeoog wird mit einem bizarren Leichenfund konfrontiert: Ein unbekleideter, aber mit viel Körperbemalung versehener Toter liegt neben einer Frühstückspension mitten in dem idyllischen Urlaubsort. Dazu haben wir eine Leseprobe für unsere Leser:innen bereit gestellt, die die Neugier wecken soll.
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»Der Tote ist kein unbeschriebenes Blatt, Fenja! Die Abdrücke passen zu einer elektronischen Strafakte. Sieh selbst!«
Die Kommissarin war gerade damit beschäftigt gewesen, Tee zu kochen – der ihr stets beim Denken half. Sie kam zu ihrem Kollegen herüber und schaute ihm über die Schulter. Der Name des Pflastermalers lautete Nils Lohkamp. Auf den erkennungsdienstlichen Fotos trug er die Haare kürzer und war glattrasiert, aber es handelte sich zweifellos um dieselbe Person, die stranguliert und unbekleidet im Jakob-Pauls-Weg gelegen hatte.
»Laut der Akte wurde Lohkamp zu einer Haftstrafe wegen schweren Raubes nach Paragraf 250 STGB verurteilt«, stellte der Kommissar fest. »Seine Haftentlassung war vor zwei Wochen. Hier steht auch die Telefonnummer seines Bewährungshelfers. Er kann uns bestimmt mehr über seinen Schützling erzählen, einen Versuch ist es jedenfalls wert. Lohkamps Eltern leben offenbar nicht mehr, von einer Frau oder Freundin steht hier auch nichts.«
»Das muss nichts heißen«, meinte Fenja. »Er wird vor der Polizei gewiss nicht sein ganzes Gefühlsleben ausgebreitet haben.«
Insgeheim dachte sie, dass ein gutaussehender junger Mann wie Lohkamp nach der Verbüßung seiner Strafe gewiss nicht lange allein bleiben würde. Aber diese Überlegung wollte sie Jonte ganz gewiss nicht auf die Nase binden. Sie konnte sich vorstellen, was für Sprüche sie dann zu hören bekommen würde. Und überhaupt – die Kommissarin hatte nicht vor, sich in einen Toten zu verlieben, der bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten war.
Sie stellte die Teekanne samt Stövchen auf ihren Schreibtisch. Ihr Kollege schnappte sich eine Tasse, tat ein Kluntje hinein und goss die heiße Assam-Mischung darüber. Nachdem er noch einen Schuss Sahne hinzugefügt hatte, sagte er: »Bei diesem Raub ist es anscheinend um eine größere Summe gegangen, hier ist von einer halben Million Euro die Rede. Gefunden wurde die Beute bisher nicht – angeblich hatte Lohkamp keine Ahnung, wo sich das Geld befindet. Wer es glaubt, wird selig! Es soll noch einen Komplizen geben, den die Kollegen aber nicht ermitteln konnten. Die Geschichte mit dem Raubüberfall klingt für mich nach einem erstklassigen Mordmotiv.«
»Der Mittäter bringt Lohkamp um, damit er das Geld ganz für sich allein behalten kann?«, vergewisserte sie sich.
»Ja, das ist eine Möglichkeit«, meinte Jonte, während er zum Telefonhörer griff. »Hoffentlich können wir über Lohkamp etwas erfahren, das nicht in der Fallakte steht.«
Auch Fenja hatte gelesen, was in der Datenbank an Informationen über den jungen Mann vorhanden war. Bei Lohkamp handelte es sich offenbar nicht um einen Intensivtäter, die inzwischen abgesessene Haft war seine erste Verurteilung gewesen. Aber natürlich konnte es auch sein, dass man ihn bei früheren Delikten einfach nicht erwischt hatte. Seine berufliche Laufbahn glich eher einer Achterbahnfahrt. Nach dem Realschulabschluss hatte Lohkamp eine Ausbildung zum Tischler abgebrochen und sich danach mit zahlreichen Jobs durchgeschlagen, ob nun als Auslieferungsfahrer oder Hilfsarbeiter in einer Fabrik. Ob Lohkamp hinter Gittern seine künstlerische Ader entdeckt hatte?
Fenja war keine Expertin für Malerei, aber sein Imitat vom Mann mit dem Goldhelm kam ihr durchaus gelungen vor. Sie selbst hätte sich so ein Werk nicht zugetraut, beim Zeichnen gelang der Kommissarin noch nicht mal eine gerade Linie. Hinzu kam: Lohkamp hatte auch in anderer Hinsicht der Kreativität gedient, indem er sich sozusagen als Leinwand zur Verfügung gestellt hatte. Es war nicht jedermanns Sache, sich unbekleidet bemalen zu lassen. Dazu bedurfte es Vertrauen zu der Person, die den Pinsel schwang – vielleicht sogar Zuneigung oder Liebe. War Lohkamp an den oder die Falsche geraten? Führte die Körperbemalung zur Strangulation? Während die Kommissarin sich über diese Fragen den Kopf zerbrach, bekam Jonte den Bewährungshelfer an den Apparat. Der Betreuer stellte sich als Jochen Krüger vor.
»Ich bin Kommissar Visser von der Polizei Langeoog. Meine Kollegin hört über Lautsprecher mit. – Herr Krüger, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Nils Lohkamp nicht mehr lebt. Wir haben seine Leiche gefunden und gehen von einem Gewaltverbrechen aus.«
Der Bewährungshelfer antwortete nicht sofort. Man konnte im Hintergrund Verkehrsgeräusche hören, Hupen und den unverkennbaren Sound von LKW-Motoren. Sein Büro befand sich offenbar an einer belebten Straße. Für die Inselpolizisten waren diese Klänge ungewohnt, denn auf Langeoog vernahm man nur das Klappern der Hufe von Kutschpferden und das einförmige Brummen der Elektrokarren. Fenja wurde wieder einmal bewusst, dass »ihre« Insel im Vergleich zum Festland eine kleine, heile Welt war – die es zu beschützen galt.
»In meinem Job ist man ja einiges gewöhnt«, brachte Krüger schließlich seufzend hervor, »aber vielleicht musste es so kommen. Es mag makaber klingen, aber aus meiner Sicht hat Lohkamp sich sein Grab selbst geschaufelt. Leider ist es mir nicht gelungen, ihn zur Vernunft zu bringen. Auch sein Pflichtverteidiger hat mit Engelszungen geredet, und Ihre Kollegen von der Hannoveraner Kripo haben sicher auch ihr Bestes gegeben. Aber Lohkamp blieb stur.«
»Das müssen Sie uns genauer erklären«, bat Jonte.
Der Bewährungshelfer sagte: »Es ist ganz einfach. Meiner Meinung nach hat Lohkamp für jemand anderen den Kopf hingehalten. Die Ermittlungsbeamten waren noch nicht einmal überzeugt davon, dass er den Raub überhaupt persönlich begangen hat. Andererseits – die Pistole, mit der die Wachleute bedroht wurden, befand sich in seinem Besitz. Und er hat die Tat gestanden. Zeugen hatten eine zweite Person gesehen, aber es war dunkel – und Bilder von Überwachungskameras gab es nicht.«
»Wenn sich das so verhält, ist mir nicht klar, weshalb die Beute nicht gefunden wurde«, gab Jonte zu bedenken.
Krüger erwiderte: »Lohkamp behauptete, die Geldtasche auf seiner Flucht verloren zu haben. Theoretisch könnte also tatsächlich ein Zufallstäter sich an der Beute bereichert haben – aber ich glaube nicht an den Weihnachtsmann oder den großen Unbekannten, Herr Visser. Ich arbeite schon lange genug mit entlassenen Strafgefangenen und erkenne meist, wenn mich jemand veräppeln will. Lohkamp hatte die Tat gar nicht begangen, sondern für jemand anderen die Haftzeit abgesessen. Das ist meine Meinung, die ich leider nicht beweisen kann.«
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Klappentext:
»Am Jakob-Pauls-Weg liegt ein kunterbunter Toter!« Die frühsommerliche Idylle auf der Insel Langeoog wird jäh getrübt: Neben der Pension Cutty Sark liegt ein strangulierter Mann, auffällig bemalt mit den schillerndsten Motiven.
Das Opfer Nils Lohkamp war ein talentierter Pflastermaler, der mit seinen farbenfrohen Kreidebildern die Langeooger Bürgersteige verschönerte. Doch hinter der bunten Fassade verbirgt sich ein düsteres Geheimnis: Lohkamp wurde erst vor zwei Wochen aus dem Gefängnis entlassen – wegen schweren Raubes. Von der Beute in Höhe von einer halben Million Euro fehlt weiterhin jede Spur.
Hat sein Komplize ihn aus dem Weg geräumt, da er das Geld für sich alleine haben wollte? Führen die Bilder, die auf den Körper des Opfers gemalt wurden, zum Mörder? Und welche Rolle spielt die Frau, die wütend die Kreide des Pflastermalers in der Mülltonne entsorgte? Je tiefer die Inselkommissare Fenja Bruns und Jonte Visser in den Fall eintauchen, desto größer werden die Fragezeichen …
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Viel Freude beim Lesen wünscht
Das Team von www.ostfrieslandkrimi.de